Die landwirtschaftliche Armenschule Bläsihof

Der Bläsihof verdankt seinen Namen der schon früh erbauten Kapelle zu Winterberg, die St. Blasius, Bischof von Armenien gewidmet war. Er war als Heiliger verehrt und zählt zu den 14 Nothelfer. Er war der Patron der Wollweber und gegen Halsübel.

 

Der Name änderte von „St.Bläsi“ zu „St Bläsi uff dem Hoff“ zu Bläsihof.

 

1223 wird der Bläsihof erstmals erwähnt und zwar bei einem Urteilsspruch.

 

Verschiedene Flurnamen wie Pfaffenwis, Pfaffenholz, Widem, erinnern an die Kapelle.

 

1370 ging die Kapelle in den Besitz des Kloster Töss über und nach der Reformation wurde sie aufgehoben und als Speicher und Keller weiter genutzt.

 

1525 übergab der Staat der Familie Wyss den Bläsihof als Handlehen zur Bewirtschaftung.

 

Die Leute brachten es dank Fleiss und geschickter Bewirtschaftung zu Wohlstand.

Infolge der Nachlässigkeiten und Liederlichkeit der späteren Generationen sank der Wert des Gutes ständig. Trotz Mahnungen gab es keine Besserung.

Die Güter wurden nach und nach zur Wildnis, die Äcker mit Disteln und Gesträuch bewachsen. Wenn Mangel an Brennholz war wurde schon mal die Axt an die schönsten Fruchtbäume angelegt.

Speicher- und Kellertüren waren absichtlich zertrümmert, um ungehindert von den Vorräten zu nehmen.

 

1726 wohnten 5 Familien Wyss mit 27 Personen im Haus.

 

Keine Warnung fruchtete. Als nach einem Augenschein der Obrigkeit im Jahre 1815 der traurige Zustand des Staatsgutes sich zeigte, reichte der Entschluss eine andere Verwendung dafür zu suchen.

Anfangs des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der Erwerbslosen durch die Einführung der Maschinenspinnerei schlagartig an, um in den Hungerjahren 1816/1817 einen schlimmen Höhepunkt zu erreichen. Die Erwerbslosigkeit, Verwahrlosung, Betteln nahmen dramatische Ausmasse an.


Die Zürcher Regierung setzte eine Kommission unter dem Vorsitz von Hans Konrad Escher von der Linth ein, mit dem Auftrag: „die erwerbslosen Klasse der Bevölkerung soll in den Stand gesetzt werden, ihr Brot selber zu verdienen“. Die Kommission mit Escher nahm den Regierungsauftrag sehr ernst: “Wir leiden an den Folgen einiger Missjahre und des Verdienstmangels. Wir haben mehr als 30'000 Individuen, die sich bisher ausschliesslich vom Baumwollspinnen ernährten; diese Industrie ist aber gänzlich in den Abgang gekommen. Die Lösung des Problems hat mir mehr Kopfzerbrechen gemacht, als das Austrocknen aller Linthmoräste“, schrieb der Kommissionspräsident einem Bekannten.

 

Escher nahm die Idee vom Stadtarzt Dr. Johannes Hirzel auf. Dieser hatte den Plan eine landwirtschaftliche Armenschule zu gründen. Er schickte 1815, den damals 15-jährigen Johannes Rüegg nach Hofwil wo er die Erziehungsmethoden Fellenbergs lernen sollte. Hirzel verstarb 1817 bevor er die finanziellen Mittel für seinen Plan auftreiben konnte.

 

Escher führte Hirzels Gedanken weiter.

Zusätzlich beabsichtigte die Kommission mit einer kantonalen landwirtschaftlichen Schule einen Musterbetrieb einzurichten.

 

Der Bläsihof bestand schon als ein abgeschlossenes Ganzes und befindet sich auf einer bis zu jenem Zeitpunkt für unwirtlich angesehenen Höhe von rund 580 Metern über Meer.

 

Man wollte in Erfahrung bringen, welche landwirtschaftlichen Kulturen dort besonders gut gedeihen, um anderen grossen Höfen zwischen Töss- und Glattal als Beispiel dienen zu können. Der Bläsihof sollte aber auch in erzieherischer Hinsicht ein Musterinstitut werden und zeigen, wie verwahrloste, von der Strasse aufgelesene Jugendliche kommunal versorgt und ausgebildet werden können.

 

Die Knaben sollten zwischen 13-17 Jahren sein. Es waren 4 Jahre Aufenthalt vorgesehen.

 

Es brauchte einen Lehrer, Knechte und Mägde, einen Schaffner (Vermögensverwalter), der wöchentlich die Rechnung einsah. Ebenso ein gebildeter Mann, der alles beaugenscheinte und der Kommission berichtete.

 

Der Lehrer musste mit guten Beispiel vorangehen und sich in Nahrung, Kleidung und Schlafstätte nicht von den Schülern unterscheiden.

Bläsihof und Umgebung, Aquarell von Wilhelm Scheuchzer, 1828
Bläsihof und Umgebung, Aquarell von Wilhelm Scheuchzer, 1828

Zur Lichtmess 1818 übergaben die Pächter den Hof, der ein Bild grenzenloser Vernachlässigung bot. Es musste eine Wasserleitug und ein laufender Brunnen erstellt werden und das Waschhaus wurde aufgestockt und eine Schulstube eingerichtet.

 

Am 10.Juni 1818 wurde die Armenschule Bläsihof mit 8 Zöglingen eröffnet, Je 2 kamen aus Töss und Wald und je ein Knabe aus Buch, Bisikon, Pfäffikon und Ottikon. 1820 waren es schon 17.

 

Der 18-jährige Johannes Rüegg übernahm die Stelle als Lehrer. Er bewältigte nicht nur die schwierige erzieherische Aufgabe in einer Horde verwahrloster Jugendlicher, sondern besorgte die Buchhaltung, amtete als Berater in der Führung des Betriebes und vermittelte bei Reibereien.

 

Die Hauptarbeit waren landwirtschaftliche Arbeiten.

Bei schlechtem Wetter wurden die Zöglinge unterrichtet:

Lesen, Geschichte, Geographie, Flicken der Kleider, Unterhalt der Geräte und des Werkzeuges, Rechnen, z.B. Oberflächenberechnung eines Feldes oder den Kubikinhalt eines Troges.

Es gab tägliche Andachten und Singübungen. Häufig wurde beim Hinzug zur Arbeit, auf dem Felde und auch auf der Rückkehr gesungen.

Es wurde auf Sorgfalt, Sittlichkeit, Mässigkeit geachtet.

Aller Luxus in Kleidung, Nahrung und Lebensart, welcher sich für den zukünftigen Stand der Zöglinge als Knechte nicht schickt, war von der Anstalt zu verbannen.

 

Neben dem Aufbau der Armenschule wurde intensiv das zweite Ziel verfolgt, den landwirtschaftlichen Zustand des Gutes zu verbessern. Der saure Boden wurde durch Drainageröhren trockengelegt und die Wiesen gedüngt. Die Bauern in der Umgebung machten sich erst lustig über diese Experimente, mussten aber mit der Zeit den augenfälligen Erfolg der Bemühungen anerkennen.

 

Jedes Jahr erstattete die Kommission der Regierung Bericht über den äusseren Zustand und Verbesserung der Güter, die finanziellen Ergebnisse, den Unterricht usw. Die Berichterstatter schrieben in anerkennenden Worten über Lehrer Rüegg und berichteten von den Lebensläufen der Zöglinge.

 

Z.B.:

 

 

Der jährliche Aufwand für die Anstalt betrug damals 4800.- Schweizerfranken.

 

Durchschnittlich gab es vom Staat 106.- Fr Jahreszuschuss pro Zögling.

 

Im Laufe der ersten Jahre gewann der Bläsihof so an Ansehen, dass die Schule sich der Anfragen zur Aufnahme von Jugendlichen – selbst von Söhnen wohlhabender Eltern – kaum zu erwehren wusste. Benachbarte Gemeinden stellten Gesuche, Knaben gegen Entschädigung am Winterunterricht teilnehmen lassen zu dürfen. Das Bedürfnis nach einer „Landwirtschaftsschule“ wuchs von Jahr zu Jahr.

 

1823 starb Hans Konrad Escher, der Gönner und Initiant der Armenschule und Lehrer Rüegg wurde an die Stadtschule in Winterthur berufen, somit stand bald die Aufhebung der Anstalt vor der Tür. Man hoffte auch auf bessere Zeiten.

 

Ende Juni 1826 wurde die Armenschule eingestellt.

 

In den acht Jahren des Bestandes der landwirtschaftlichen Armenschule waren 57 Burschen aufgenommen worden. Vier starben und sechs wurden als unfähig eingestuft und entfernt. Fünf kamen zu Handwerkern in die Lehre und 13 kamen zu Dienstherren als Güterarbeiter. Die übrigen 29 sollen durch die Schule einen guten Grundstein für ihr weiteres Leben erhalten haben.

 

Der Bläsihof ist zum Vorläufer der landwirtschaftlichen Schule geworden. Es dauerte allerdings noch Jahrzehnte, bis 1853 die Landwirtschaftliche Schule Strickhof in Zürich ihren Betrieb aufnahm.

 

Die ehemalige Kapelle wurde nur noch als Speicher genutzt.

Quelle:

Emil Stauber,1911

Heimatspiegel Okt 1984

 

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